Wirecard-Chef Braun tritt wegen Bilanzskandals mit sofortiger Wirkung zurück
Der Gründer und Chef des Finanzdienstleisters Wirecard, Markus Braun, ist wegen des Bilanzskandals mit sofortiger Wirkung zurückgetreten. Der Schritt sei im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat erfolgt, teilte das Unternehmen am Freitag mit. Die Aktie von Wirecard gab nach dem Kurssturz vom Vortag erneut um mehr als 30 Prozent nach. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) begrüßte den Rücktritt Brauns.
Interimschef des Unternehmens wird James Freis, der angesichts der Turbulenzen erst am Vorabend mit sofortiger Wirkung zum Compliance-Vorstand berufen worden war. Wirecard hatte am Donnerstag seinen Jahresabschluss zum vierten Mal verschoben und mit einem möglichen Betrugsfall rund um Treuhandkonten die Börse schockiert.
Nach eigenen Angaben war das Unternehmen von den Abschlussprüfern darauf hingewiesen worden, dass für die Existenz von Bankguthaben über 1,9 Milliarden Euro auf Treuhandkonten bei zwei asiatischen Banken keine ausreichenden Nachweise vorlägen. Die Abschlussprüfer sahen sich außerstande, ein Testat ohne weitere Überprüfungen zu erteilen.
Die Summe entspricht laut Unternehmen in etwa einem Viertel der Konzernbilanzsumme und war von Tochtergesellschaften als Garantie für das Risikomanagement von Händlern hinterlegt worden, für die Wirecard Zahlungen abwickelt. Die beiden kontenführenden Banken hätten mitgeteilt, dass "die betreffenden Kontonummern nicht zugeordnet werden konnten", hieß es. Es gebe Hinweise, dass ein Treuhänder "zu Täuschungszwecken" falsche Bestätigungen vorlegt habe, um ein falsches "Vorstellungsbild" der Guthaben zu geben.
Der 51-jährige Österreicher Braun teilte mit, sein Unternehmen werde Anzeige gegen unbekannt stellen. Wirecard reagierte am Donnerstagabend mit einem Vorstandsumbau und gab die Freistellung des Vorstandsmitglieds Jan Marsalek bis Ende des Monats bekannt. Der Aktienkurs an der Börse in Frankfurt am Main stürzte am Donnerstag um mehr als 60 Prozent ab.
Der Rücktritt Brauns sei "folgerichtig und sehr nachvollziehbar“, sagte DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler der Funke Mediengruppe. Der Fall Wirecard wirke weit über den Konzern hinaus. "Wenn Börseneinsteiger auf Wirecard gesetzt haben und nun diesen Fall miterleben müssen, dann beschädigt das auch das Vertrauen in die Anlage des Wertpapiers", sagte Tüngler.
Die Gefahr einer Übernahme schätze er aktuell als gering ein: "Ich bezweifle, dass ein Konkurrent dieses heiße Eisen jetzt anfassen wird. Niemand kann sagen, was Wirecard wirklich wert ist."
Kritik übte Tüngler an der Deutschen Börse und der Prüfgesellschaft Ernst&Young. "Die Deutsche Börse muss sich fragen, ob Unternehmen mit einer fragwürdigen Compliance Mitglied des Dax werden sollten", sagte Tüngler. Bei den Prüfungen der vergangenen Jahre durch Ernst&Young blieben offene Fragen. Dass am Montag nun die Lufthansa aus dem Dax abgestiegen sei, während Wirecard Dax-Mitglied wurde, sei "an Tragik nicht zu überbieten".
Danyal Bayaz, Leiter des Wirtschaftsbeirats der Grünen-Bundestagsfraktion, nannte den Rücktritt Brauns "überfällig". Wirecard habe massiv an Vertrauen verloren. Die Kommunikation der vergangene Tage habe "nicht gerade den Eindruck erweckt, als sei man an einer konsequenten Aufarbeitung interner Missstände interessiert". Nun müssten BaFin und Staatsanwaltschaft den Fall umfassend aufarbeiten.
Vor dem Hintergrund des wiederholt verschobenen Jahresabschlusses hatte die Bafin das Unternehmen Anfang Juni angezeigt. Daraufhin war der Firmensitz von der Staatsanwaltschaft durchsucht worden.
Wirecard stand seit seiner Gründung 1999 immer wieder im Zentrum von Aktienspekulationen. Im vorigen Jahr schrieb die britische "Financial Times" wiederholt über angeblich vorgetäuschte Umsätze und gefälschte Verträge bei Wirecard in Singapur. Wirecard wies die Anschuldigungen stets als verleumderisch zurück.
(Y.Ignatiev--DTZ)