Deutsche Tageszeitung - Britische Abgeordnete suchen Plan B für den Brexit

Britische Abgeordnete suchen Plan B für den Brexit


Britische Abgeordnete suchen Plan B für den Brexit
Britische Abgeordnete suchen Plan B für den Brexit / Foto: © AFP

Wieder eine Demütigung für Theresa May und wieder keine Klarheit: Auf der Suche nach einem Plan B für den Brexit haben sich die Abgeordneten im britischen Unterhaus mehr Einfluss verschafft. Mit Probeabstimmungen wollen sie ab Mittwoch nach einem mehrheitsfähigen nächsten Schritt in Sachen Brexit suchen. Wie der allerdings aussehen wird, ist völlig offen - zumal das Ergebnis für die Regierung nicht bindend ist.

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Mit 329 zu 302 Stimmen hatten die Abgeordneten am Montagabend einen Antrag angenommen, der Probeabstimmungen über verschiedene Brexit-Szenarien am Mittwoch ermöglicht. Unterstützt wurde der beispiellose Schritt vor allem von pro-europäischen Abgeordneten, die entweder den Austritt Großbritanniens aus der EU stoppen wollen oder nach einem Brexit auf sehr viel engere Wirtschaftsbeziehungen setzen, als es Mays Plan vorsieht.

Zu den Unterstützern des Antrags gehörten auch rund 30 konservative Abgeordnete. Drei Staatssekretäre aus Mays Regierung stimmten ebenfalls für die Vorlage und traten zurück. Industrie-Staatssekretär Richard Harrington warf der Premierministerin vor, ihr Vorgehen und die aktuelle Pattsituation hätten zu einem "Demokratiedefizit" in Großbritannien geführt.

Britische Medien sehen May nach der Entscheidung der Abgeordneten in einer noch schlechteren Situation als zuvor: Die "Times" schrieb von einer "gedemütigten" Premierministerin, die "Financial Times" sieht die Gefahr, dass May "die Kontrolle über den Brexit verliert". Im "Guardian" schrieb der frühere konservative Vize-Premier Michael Heseltine, die Regierungschefin habe "keinerlei Kontrolle über das Geschehen".

Hilary Benn, einer der Initiatoren der Abstimmung, sagte in einem Interview, am Mittwoch würden nun zunächst wohl eine ganze Reihe von Optionen auf den Tisch kommen. "Beim ersten Mal heißt es ’hier sind die Vorschläge’, und dann stimmt man für so viele, wie man will", sagte der Labour-Politiker der BBC. Möglich sind dabei alle Vorschläge bis hin zu einem neuen Referendum oder einer Abkehr vom Brexit. Benn sagte weiter, in der kommenden Woche könne es dann Änderungen an der Vorgehensweise geben, um die Zahl der Szenarien nach und nach einzuschränken.

Was immer die Abgeordneten entscheiden, das Ergebnis ist für die Premierministerin nicht verbindlich. Sie hat bereits angekündigt, dass sie sich nicht an Abstimmungsergebnisse halten wird, die dem Parteiprogramm der Konservativen aus dem Jahr 2017 widersprechen. Darin hatten die Tories versprochen, Großbritannien werde die Zollunion und den Europäischen Binnenmarkt verlassen.

Bei allen Rückschlägen kann sich May allerdings zumindest in einer Hinsicht Hoffnung machen: Nach den jüngsten Entwicklungen gibt es Anzeichen dafür, dass der parteiinterne Brexit-Hardliner Jacob Rees-Mogg die Premierministerin unterstützen könnte. Der Leiter der extrem konservativen European Research Group sagte am Dienstag in einem Podcast, das von May ausgehandelte Austrittsabkommen sei "besser, als die EU überhaupt nicht zu verlassen".

Ob und wann May ihren Vorschlag erneut zur Abstimmung bringt, ist aber weiter unklar. Aus Regierungskreisen hatte es zuletzt geheißen, dies werde möglicherweise am Donnerstag geschehen.

Ursprünglich war der britische Austritt aus der Europäischen Union für diese Woche geplant gewesen. Nachdem May mit ihrem Austrittsvertrag jedoch in zwei Abstimmungen gescheitert war, hatte sie die EU um Aufschub gebeten. Sollte das britische Parlament das Austrittsabkommen diese Woche doch noch annehmen, wird der Brexit auf den 22. Mai verschoben. Ohne einen Beschluss müsste London die EU bis zum 12. April über das weitere Vorgehen informieren.

(V.Sørensen--DTZ)