Deutsche Tageszeitung - Ukraine meldet Schäden an Tschernobyl-Hülle nach mutmaßlich russischem Drohnenangriff

Ukraine meldet Schäden an Tschernobyl-Hülle nach mutmaßlich russischem Drohnenangriff


Ukraine meldet Schäden an Tschernobyl-Hülle nach mutmaßlich russischem Drohnenangriff
Ukraine meldet Schäden an Tschernobyl-Hülle nach mutmaßlich russischem Drohnenangriff / Foto: © AFP

Die Schutzhülle des havarierten Kernkraftwerks Tschernobyl ist nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bei einem russischen Drohnenangriff beschädigt worden. Eine Drohne mit einem "hochexplosiven Sprengkopf" habe die Metallabdeckung getroffen, erklärte Selenskyj am Freitag. Es sei zu einem Brand gekommen, die Strahlenbelastung habe sich jedoch nicht erhöht. Während der Kreml Angriffe auf ukrainische Atomanlagen bestritt, deutete Selenskyj den Vorfall als Beleg dafür, dass Moskau "keinen Frieden will".

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"In der vergangenen Nacht hat eine mit einem hochexplosiven Sprengkopf ausgestattete russische Angriffsdrohne die Abdeckung getroffen, welche die Welt vor der Strahlung des zerstörten vierten Reaktors des Atomkraftwerks Tschernobyl schützt", schrieb Selenskyj im Onlinedienst X. Ein dabei ausgebrochenes Feuer sei gelöscht worden, die "Strahlenwerte haben sich nicht erhöht".

Weiter veröffentlichte Selenskyj ein Video von Überwachungskameras, auf dem ein kleines Feuer und ein Loch in der Abdeckung zu sehen sind. Feuerwehrleute versuchen den Brand aus dem Inneren heraus zu löschen. Den Angaben zufolge flog die Drohne in einer Höhe von 85 Metern - zu niedrig, um vom Radar entdeckt zu werden.

Auch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) meldete auf X, ihr Team vor Ort habe eine "Explosion" aus der Richtung der Schutzhülle gehört und sei darüber informiert worden, dass es sich dabei um eine Drohne gehandelt habe. Die Strahlenwerte innerhalb und außerhalb des Gebäudes seien allerdings "normal und stabil".

Die IAEA hat seit den ersten Tagen des Ukraine-Kriegs ein eigenes Team auf der Anlage des havarierten Kernkraftwerks stationiert. Wiederholt hatte sie vor Kämpfen rund um ukrainische Atomkraftwerke gewarnt.

Ohne den Vorfall ausdrücklich zu dementieren, erklärte der Kreml, die russische Armee greife keine Atomanlagen an. "Von Angriffen auf solche nuklearen Infrastrukturen kann keine Rede sein", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. "Alle Behauptungen, dass dies der Fall war, entsprechen nicht der Realität. Das russische Militär tut dies nicht."

Der mutmaßlich russische Angriff auf das Kernkraftwerk erfolgte nur wenige Stunden vor dem Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz, in deren Zentrum von US-Präsident Donald Trump angestoßene mögliche Verhandlungen über ein Ende des Ukraine-Kriegs stehen. Der Angriff sei ein deutlicher Beleg dafür, dass Russlands Präsident Wladimir Putin "keinen Frieden will", betonte Selenskyj in München. "Wenn jemand einen Dialog anstrebt und den Krieg beenden will, macht er das nicht."

Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas kam bei ihrer Ankunft in der bayrischen Hauptstadt zu einem ähnlichen Schluss. "Der Krieg geht weiter. Heute haben wir gesehen, dass Russland das Atomkraftwerk angreift, was deutlich zeigt, dass es keinen Frieden will."

Ein Berater von Selenskyj erklärte, die ukrainische Delegation werde den Angriff auf das Akw Tschernobyl auch auf die Tagesordnung von Gesprächen mit Vertretern der USA in München setzen. Der ukrainische Staatschef wollte am Freitag unter anderem mit dem US-Vizepräsidenten JD Vance zusammenkommen.

Trump hatte am Mittwoch ein anderthalbstündiges Telefonat mit Putin geführt und im Anschluss erklärt, er habe mit dem Kremlchef einen "unverzüglichen" Beginn von Verhandlungen über die Zukunft der Ukraine vereinbart. Bei westlichen Verbündeten weckte dies die Befürchtung, die Ukraine wie auch die europäischen Partner würden von den Gesprächen ausgeschlossen.

Im Atomkraftwerk Tschernobyl war am 26. April 1986 ein Reaktor explodiert. Der Vorfall gilt als weltweit größte Atomkatastrophe und verseuchte weite Teile der Ukraine, Russlands und Belarus. Zehntausende Menschen mussten evakuiert werden. Um einen weiteren Austritt von Strahlung zu verhindern, wurde im November 2016 eine von der internationalen Gemeinschaft finanzierte massive Metallkuppel über den Überresten des Reaktors errichtet.

Laut Shaun Burnie, Nuklearexperte bei Greenpeace Ukraine, ist die Kuppel "nicht nur ein Dach, sondern eine massive, ausgeklügelte Maschine, die speziell entwickelt wurde, um die Freisetzung von Radioaktivität in die Umwelt zu verhindern". Der Angriff sei "ungeheuerlich" und zeige, dass Russland seinen Krieg gegen die Ukraine auf eine neue Stufe hebe.

In den ersten Tagen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine im Februar 2022 hatten russische Truppen das Gelände von Tschernobyl unter ihre Kontrolle gebracht, sich später aber von der Anlage wieder zurückgezogen. Das Atomkraftwerk Saporischschja im Süden der Ukraine ist hingegen seit März 2022 von russischen Soldaten besetzt. Russland und die Ukraine werfen sich seitdem regelmäßig vor, die Sicherheit der Anlage zu gefährden und das Risiko einer Nuklearkatastrophe zu erhöhen.

(P.Vasilyevsky--DTZ)

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