
Verdi droht im Tarifstreit mit Bund und Kommunen mit längeren Warnstreiks

Kurz vor der nächsten Verhandlungsrunde verschärft sich im Tarifkonflikt des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen der Ton. Wenn es bei den Gesprächen keine "substanziellen Vorschläge" der Arbeitgeberseite gebe, würden die Warnstreiks ausgedehnt, drohte Verdi-Chef Frank Werneke in der "Rheinischen Post" vom Dienstag. Der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Niklas Benrath, griff seinerseits den Gewerkschaftschef scharf an. Unionsfraktionsvize Ulrich Lange (CSU) mahnte zur Zurückhaltung.
Die Tarifverhandlungen für die rund 2,4 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen hatten im Januar begonnen. Verdi und der Deutsche Beamtenbund (dbb) fordern für eine Laufzeit von zwölf Monaten ein Lohnplus von 10,5 Prozent, mindestens aber monatlich 500 Euro mehr. Die Arbeitgeber lehnen dies ab. Die zweite Verhandlungsrunde ist für Mittwoch und Donnerstag angesetzt.
Die Arbeitnehmerseite hatte in den vergangenen Wochen mehrfach Warnstreiks organisiert. Am Freitag lag durch Ausstände an mehreren deutschen Flughäfen der Luftverkehr in Deutschland weitgehend lahm. Für den Beginn der zweiten Verhandlungsrunde in Potsdam am Mittwoch rief Verdi in Brandenburg unter anderem Klinik- und Verwaltungsbeschäftigte zu Arbeitsniederlegungen auf. Auch eine Demonstration vor dem Tagungshotel wurde angekündigt.
"Nun stehen wir vor einer zweitägigen Verhandlungsrunde und erwarten, dass die öffentlichen Arbeitgeber die zurückliegenden Wochen genutzt haben, um substanzielle Vorschläge für eine Lösung des Tarifkonflikts auszuarbeiten", sagte Verdi-Chef Werneke der "Rheinischen Post". "Alles andere wäre sehr enttäuschend und würde eine Ausweitung der Warnstreiks - insbesondere hinsichtlich der zeitlichen Dauer - nach sich ziehen."
Werneke äußerte die Vermutung, dass Bund und Kommunen eine steuerfreie Inflationsausgleichsprämie anbieten werden, hält dies aber nicht für sinnvoll: "Dauerhaft steigende Preise brauchen auch dauerhaft steigende Löhne - einmalige Prämien wirken nicht nachhaltig."
VKA-Hauptgeschäftsführer Benrath kritisierte das Vorgehen der Gewerkschaften. "Wir befinden uns eigentlich in konstruktiven Verhandlungen", sagte er der Zeitung. "Der Fokus wird, wie mit den Gewerkschaften vereinbart, auch auf besonders betroffenen Bereichen liegen. Schon allein deshalb kann ich die Streikaufrufe und die damit nunmehr neue Stufe der Eskalation eines Herrn Werneke nicht nachvollziehen."
Die Streikaufrufe entsprächen "zum jetzigen Zeitpunkt lediglich der Dramaturgie der Gewerkschaften", urteilte Benrath. Dies diene "der Gewinnung neuer Mitglieder und haben mit der vereinbarten Schrittfolge unserer Verhandlungen nichts zu tun". Ob die Arbeitgeberseite in den bevorstehenden Verhandlungen ein Angebot vorlegen werde, ließ Benrath offen.
Unionsfraktionsvize Lange mahnte insbesondere die Gewerkschaftsseite zur Zurückhaltung. "Der Arbeitskampf ist natürlich ein legitimes Mittel in Tarifkonflikten", sagte er der Nachrichtenagentur AFP. "Aber es reicht doch schon, dass vergangene Woche Flughäfen und Teile der kommunalen Verkehrsbetriebe lahmgelegt wurden. Das gewünschte Signal der Arbeitnehmer sollte angekommen sein."
Er appelliere an die Tarifparteien, "sich ihre Verantwortung bewusst zu machen und Lösung zu finden", sagte Lange. "Klar ist aber auch, dass die erhobenen Forderungen der Arbeitnehmer realistisch sein müssen. Streik darf kein Selbstzweck werden", warnte er.
(M.Dorokhin--DTZ)