Deutsche Tageszeitung - Österreichs Kanzler kündigt wegen Skandals um Strache vorgezogene Neuwahlen an

Österreichs Kanzler kündigt wegen Skandals um Strache vorgezogene Neuwahlen an


Österreichs Kanzler kündigt wegen Skandals um Strache vorgezogene Neuwahlen an
Österreichs Kanzler kündigt wegen Skandals um Strache vorgezogene Neuwahlen an / Foto: ©

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz hat als Reaktion auf den Skandal um das Enthüllungsvideo über den FPÖ-Frontmann Heinz-Christian Strache vorgezogene Neuwahlen angekündigt. Damit kündigte er die Zusammenarbeit seiner konservativen ÖVP mit den Rechtspopulisten auf: "Genug ist genug", sagte er am Samstagabend vor der Presse in Wien. Er habe Bundespräsident Alexander Van der Bellen vorgezogene Neuwahlen "zum schnellstmöglichen Zeitpunkt" vorgeschlagen.

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Hintergrund ist ein heimlich aufgenommenes Video, in dem sich Strache vor der Parlamentswahl 2017 bereit zeigt, als Gegenleistung für verdeckte Wahlkampfgelder öffentliche Aufträge an die angebliche Nichte eines russischen Oligarchen zu vergeben.

Auch wenn die Methoden, wie das Video entstanden sei, "verachtenswert" seien, spreche der Inhalt für sich, sagte Kurz. Er nannte insbesondere die zu Tage getretenen "Ideen des Machtmissbrauchs". In seinen Gesprächen mit Vertretern der FPÖ habe er zudem nicht den Eindruck gewonnen, dass es einen wirklichen Willen zur Veränderung der FPÖ auf allen Ebenen gebe. Das wäre aber "mehr als nur notwendig".

Damit spielte er auf eine Reihe von Kontroversen über rechtsextreme Äußerungen und Aktionen von FPÖ-Vertretern an. Lange habe er im "Sinne der Sacharbeit" und der gemeinsamen Reformpolitik öffentlich zu den Verfehlungen geschwiegen, doch sei das "oft persönlich nicht einfach" gewesen.

Eine Neuauflage der früheren Koalition mit der SPÖ schloss Kurz aus. Diese sei über Jahre hinweg von "Stillstand" und Streit geprägt gewesen. Deshalb wolle er klare Verhältnisse und "für unser wunderschönes Land arbeiten", aber "ohne Zwischenfälle" und "sonstige Skandale". Dies sei nach seiner Einschätzung "derzeit mit niemandem" möglich: "Die FPÖ kann es nicht", die SPÖ teile seine inhaltliche Ausrichtung nicht und die kleinen Parteien reichten nicht.

Strache war wenige Stunden zuvor als Vizekanzler und FPÖ-Chef zurückgetreten, hatte sich aber für eine Fortsetzung der seit Dezember 2017 bestehenden Regierungskoalition mit der ÖVP ausgesprochen. Sein eigenes Verhalten bezeichnete er als "alkoholbedingtes Machogehabe" und als einen "Fehler", kündigte aber gleichzeitig rechtliche Schritte gegen die Macher des Videos an. Dieses nannte er besonders "niederträchtig" und "ein gezieltes politisches Attentat".

Die der "Süddeutschen Zeitung" und dem "Spiegel" zugespielten Aufnahmen dokumentieren ein Treffen Straches und seines Vertrauten Johann Gudenus mit der angeblichen Nichte eines russischen Oligarchen im Juli 2017 und damit drei Monate vor der österreichischen Parlamentswahl. Sie gab demnach an, rund eine Viertelmilliarde Euro in Österreich investieren zu wollen, und deutete mehrmals an, dass es sich dabei um Schwarzgeld handeln könnte.

In dem Video verweist Strache auf andere Geldgeber - ein "paar sehr Vermögende", die zwischen 500.000 Euro und zwei Millionen Euro gespendet hätten. Diese Gelder flössen an einen "gemeinnützigen Verein". "Du musst erklären, dass das nicht an den Rechnungshof geht", sagt Strache zu Gudenus, der übersetzte. Gudenus trat laut APA inzwischen ebenfalls als FPÖ-Fraktionsvorsitzender zurück.

Strache schlägt seinerseits der vermeintlichen Oligarchen-Nichte vor, für lukrative Regierungsaufträge zu sorgen, wenn sie ein Unternehmen in Österreich gründet. Im Gegenzug hofft er, mit Hilfe einer Beteiligung der Russin an der "Kronen Zeitung" Einfluss auf das mächtige Boulevardblatt zu gewinnen.

Bundespräsident Van der Bellen verurteilte scharf den Inhalt des Videos. Straches Verhalten sei eine "unerhörte Respektlosigkeit" allen Bürgern und Bürgerinnen gegenüber, sagte er laut APA. Die Rücktritte in der FPÖ seien nur ein erster Schritt. Es bedürfe nun einer klaren, schonungslosen und vollständigen Aufklärung. Der Präsident unterstützte die Forderung nach Neuwahlen als einzigen Weg, den Bürgern wieder Vertrauen in ihre Regierung zurückzugeben. Am Sonntag trifft sich Van der Bellen mit Kurz in der Hofburg.

Zuvor hatten bereits tausende Menschen in Wien für vorgezogene Neuwahlen und das vollständige Ausscheiden der FPÖ aus der Regierung demonstriert.

(V.Korablyov--DTZ)