EuGH prüft Zwangshaft für Politiker im Streit um Diesel-Fahrverbote
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat am Dienstagnachmittag darüber verhandelt, ob im Streit um Diesel-Fahrverbote zur Durchsetzung von Gerichtsurteilen auch Zwangshaft gegen Politiker angeordnet werden kann. Konkret geht es um die bayerische Landesregierung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) will wissen, ob die von der Deutschen Umwelthilfe beantragte Anordnung von Zwangshaft "unionsrechtlich möglich beziehungsweise geboten ist".
Hintergrund des Verfahrens ist ein Urteil des Verwaltungsgerichts München, wonach Diesel-Fahrverbote in den Luftreinhalteplan für die Landeshauptstadt aufgenommen werden sollen. Das Gericht verhängte deshalb bereits Zwangsgelder gegen den Freistaat. Weil auch dies keinen Erfolg hatte, beantragte die Deutsche Umwelthilfe die Anordnung von Zwangshaft. Der VGH München setzte das Verfahren dazu aus und rief den EuGH an.
Der Anwalt der Umwelthilfe, Remo Klinger, betonte im Sender SWR, dass es bei der Verhandlung in Luxemburg um die Gewaltenteilung gehe. Ein grundsätzlicher Punkt des Rechtsstaats sei, dass Gerichte das letzte Wort haben: "Wenn Bürger Gerichtsurteilen unterworfen sind und diese vollstreckt werden müssen, dann stellt sich die Frage, warum sich eine Landesregierung darüber hinwegsetzen kann."
Klinger nannte das Verhalten der Landesregierung einmalig in der Rechtsgeschichte der Bundesrepublik: "Wir kannten das bisher nicht, dass ein Kabinett sagt: Es gibt eine rechtskräftige Entscheidung des höchsten bayerischen Gerichts, aber wir machen es trotzdem nicht - und das seit Jahren", kritisierte der Anwalt.
"Es geht beim EuGH nicht darum, ob Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ins Gefängnis muss. Das wird der EuGH nicht entscheiden", stellte Klinger klar. Der Vertreter der bayerischen Regierung, Winfried Brechmann aus dem Innenministerium, argumentierte dennoch bei der Anhörung vor Gericht, das deutsche Recht sehe keine Zwangshaft für Amtsträger vor.
Brechmann betonte zudem, ein Diesel-Fahrverbot führe nur zu mehr Verkehr auf angrenzenden Straßen. Die Feinstaub-Grenzwerte auf den betreffenden Straßen in München würden auch ohne Fahrverbot spätestens in den folgenden zwei Jahren eingehalten werden.
Der Vertreter der EU-Kommission, Friedrich Erlbacher, schlug vor, eine Erhöhung der Zwangsgelder müsse möglich sein. Selbst 25.000 Euro hätten für eine Landesregierung keinen abschreckenden Effekt. Die deutsche Rechtsprechung sollte eine dem Schaden angemessenere Höhe festlegen dürfen. Erlbacher betonte, die Missachtung der Diesel-Fahrverbote im Luftreinhalteplan von München sei eine Missachtung europäischen Rechts mit "schwerwiegenden Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung".
Nach der mündlichen Verhandlung am Dienstag wird das Urteil des Gerichtshofs erst in einigen Wochen erwartet. Die Antwort der Luxemburger Richter könnte bundesweit wegweisend für die seit Jahren andauernden juristischen Auseinandersetzungen um Diesel-Fahrverbote sein. Denn an einem Urteil der EuGH würden sich wohl alle deutschen Verwaltungsgerichte orientieren.
(A.Stefanowych--DTZ)