Weiter Kritik an staatlichem Textilsiegel Grüner Knopf
Vor dem offiziellen Start des staatlichen Textilsiegels Grüner Knopf gibt es weiter Kritik an dem Vorhaben: "Ein weiteres Siegel hat keinen Mehrwert, es baut unnötige Doppelstrukturen auf", sagte die Präsidentin des Branchenverbandes textil+mode, Ingeborg Neumann, der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten" von Samstag. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU), der das neue Siegel am Montag vorstellt, versicherte, die Verbraucher würden am Ende nicht draufzahlen.
"Für den Kunden im Laden wird es dadurch nicht teurer", sagte Müller der "Augsburger Allgemeinen" vom Samstag. "Eine Jeans mit dem Grünen Knopf kostet in der Produktion am Ende etwa einen Dollar mehr. Das reicht, um den Frauen in Bangladesch einen Lohn zu zahlen, von dem sie leben können."
Um den Grünen Knopf zu bekommen, müssen Unternehmen eine Reihe von sozialen und ökologischen Kriterien erfüllen. "Es geht um mehr Menschlichkeit und um globale Gerechtigkeit", sagte Müller. Er bezog sich damit auch auf den Einsturz der Rana-Plaza-Fabrik in Bangladesch, bei dem 2013 insgesamt 1138 Menschen starben. Viele westliche Bekleidungsfirmen hatten dort produzieren lassen.
"Damals ist mir klar geworden, welche Ausbeutung von Mensch und Natur es in den globalen Lieferketten gibt", sagte der Minister der Zeitung. Das freiwillige Siegel wird von seinem Ministerium vergeben.
Branchenvertreterin Neumann kritisierte hingegen das Konzept für den Grünen Knopf als "unausgegoren". "Unsere Unternehmen haben bereits viel in international etablierte Siegel und Zertifizierungssysteme investiert", sagte sie der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten".
Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) äußerte sich skeptisch. Zwar könne der Grüne Knopf Verbrauchern eine bessere Orientierung beim Einkauf sozial und ökologisch produzierter Kleidung bieten. Um Katastrophen wie die von Rana Plaza zu verhindern, reiche ein freiwilliges Label aber nicht aus, sagte vzbv-Chef Klaus Müller den Zeitungen. "Ein Lieferkettengesetz, das alle Unternehmen bindet, hätte mehr Durchschlagskraft."
Den Verbrauchern müsse zudem klar gemacht werden, dass das neue Siegel in der knapp zweijährigen Pilotphase nur die Produktionsschritte Nähen und Zuschneiden sowie Färben und Bleichen bewertet, nicht aber den Baumwollanbau, fügte Müller hinzu. Er forderte einen verbindlichen Zeitplan, "wann der Grüne Knopf die gesamte Lieferkette abdecken" werde.
Die Entwicklungsorganisation Brot für die Welt sieht in dem Grünen Knopf einen Fortschritt, der aber noch nicht weit genug gehe. Ihr Entwicklungspolitik-Experte Thilo Hoppe sagte den beiden Stuttgarter Zeitungen: "Das Allerbeste wäre ein Lieferkettengesetz mit klaren und verbindlichen Bestimmungen nicht nur für die Textilbranche, sondern für alle Wirtschaftszweige, damit die Unternehmen zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz verpflichtet werden."
(O.Tatarinov--DTZ)