EZB lanciert Anleihenkäufe für 750 Milliarden Euro gegen Coronakrise
Neue Anleihenkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) zur Minderung der wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise erhalten Zuspruch von Politikern und Wirtschaftsforschern, beruhigen die Börsenstimmung in Europa aber nicht. Das gigantische Notfallprogramm mit dem Namen PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) soll 750 Milliarden Euro für Staats- und Unternehmensanleihen umfassen und mindestens bis Jahresende laufen, wie die EZB in der Nacht zu Donnerstag mitteilte.
Die EZB will nach eigenen Angaben "alles Notwendige" tun, um den "ernsthaftem Risiken" der Corona-Krise entgegenzutreten und das neue Anleihenkaufprogramm, das bereits die bisherige Kaufsumme von 20 Milliarden Euro monatlich sowie die jüngst verkündete Aufstockung um 120 Milliarden bis Jahresende ergänzt, notfalls noch auszuweiten. Demnach sollen alle Wirtschaftssektoren von besseren Finanzierungsbedingungen profitieren und damit den durch die Ausbreitung des Coronavirus ausgelösten Schock "absorbieren" können. Dies betreffe gleichermaßen Familien, Firmen, Banken und Regierungen.
Es "ähnelt eher einer Bazooka als alles, was sie bislang getan haben", sagte Analyst Neil Wilson vom Anlegerportal Markets.com und übernahm damit die Bezeichnung mehrerer EZB-Beobachter für das neue Paket.
Wie schon in der Finanzkrise sei die Zentralbank "der einzig ad hoc handlungsfähige Akteure auf europäischer Ebene", sagte Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Das Anleihenprogramm sei "richtig, denn die Corona-Krise darf nicht für sich genommen zu einer neuen Staatsschuldenkrise führen".
Marija Kolak, Präsidentin des Deutschen Volksbankenverbunds BVR, mahnte dagegen, die meisten mittelständischen Unternehmen und Freiberufler profitierten allenfalls indirekt. Für sie müsse die Bundesregierung schnell einen Rettungsschirm schaffen und direkt Geld zuschießen.
Zustimmung kam aus der Politik. "Gut gemacht, EZB", lobte Italiens Regierungschef Giuseppe Conte, dessen Land in Europa am stärksten von der Coronavirus-Pandemie betroffen ist, im Onlinedienst Twitter. "Europa hat es getan. Stark, klangvoll, der Schwere der gesundheitlichen Notlage, mit der wir konfrontiert sind, und des dadurch ausgelösten wirtschaftlichen Schocks angemessen."
Die neue EZB-Chefin Christine Lagarde war noch vergangene Woche scharf kritisiert worden, nachdem sie gesagt hatte, Aufgabe der EZB sei es nicht, sogenannte Spreads zu reduzieren - dabei handelt es sich um den Abstand zwischen den Zinsen auf deutsche und italienische Staatsanleihen. Nun schrieb sie selbst bei Twitter: "Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen." Es gebe "keine Limits bei unserem Einsatz für den Euro".
Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron begrüßte die "außergewöhnlichen" EZB-Maßnahmen. Nun sei es an den Ländern der Eurozone, größere "finanzielle Solidarität" an den Tag zu legen und bereit zu Eingriffen in die Staatshaushalte zu sein.
"Die Geldpolitik der EZB muss die mangelnde Fiskalpolitik der Regierungen ausgleichen", erklärte Sven Giegold, Sprecher der Grünen im Europaparlament. Wer nun Lagarde wie einst Draghi in der Finanzkrise wegen seines Eingreifens zum Sündenbock mache, "versteht den Ernst der Lage nicht".
Bei all dieser Zustimmung konnte die EZB aber die Lage an den großen europäischen Börsen zumindest am Donnerstag nicht nachhaltig beruhigen. Trotz starker Gewinne am Vormittag lag der Deutsche Aktienindex (Dax) in Frankfurt am Main am Nachmittag mit einem Minus von rund 0,6 Prozent bei 8385,98 Punkten. Nach einem Turbulenten Handelstag notierten die Leitindizes in London und Paris jeweils etwa ein halbes Prozent im Plus.
(P.Vasilyevsky--DTZ)