Deutsche Tageszeitung - Streit um Kaufprämie spitzt sich vor Autogipfel zu

Streit um Kaufprämie spitzt sich vor Autogipfel zu


Streit um Kaufprämie spitzt sich vor Autogipfel zu
Streit um Kaufprämie spitzt sich vor Autogipfel zu / Foto: ©

Kurz vor dem Autogipfel hat sich der politische Streit um mögliche Kaufprämien verschärft. Bayern forderte eine finanzielle Förderung auch für bestimmte Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. Von SPD, FDP und Linkspartei kam dagegen Widerstand gegen eine Neuauflage der Abwrackprämie. Auch aus der Union gab es Kritik. Derweil zeigte eine Ifo-Umfrage in der Autobranche deren historisch schlechte Geschäftslage.

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Aus Sicht führender SPD-Politiker dürfen Kaufanreize nicht die begonnene Transformation der Branche zu klimafreundlicheren Antrieben gefährden. "Eine Abwrackprämie, die Technologien aus dem letzten Jahrhundert fördert, löst keine Probleme von Morgen", erklärten die Fraktions-Vizechefs Sören Bartol, Matthias Miersch und Achim Post am Montag in einem Gastbeitrag für das Nachrichtenportal "t-online.de". Stattdessen müsse konsequent auf erneuerbare Antriebe gesetzt und ein "Absatzschub für klimafreundliche Fahrzeuge" generiert werden.

Der Parteivorsitzende Norbert Walter-Borjans hält staatliche Prämien zur Nachfrageförderung in der Corona-Krise gar für verfrüht: Wenn Verbraucher nicht wüssten, "ob sie in einem Jahr von der Kurzarbeit in die Arbeitslosigkeit rutschen", würden sie vorerst ohnehin kein neues Auto in Betracht ziehen, "auch wenn es verbilligt wird", sagte Walter-Borjans im rbb-Inforadio.

"Wir brauchen keine zweite Abwrackprämie, die die Gnadenfrist des Verbrennerautos noch weiter verlängert", erklärte die verkehrspolitische Sprecherin der Linken, Ingrid Remmers. Vor dem Hintergrund des Dieselskandals und "der Milliardengewinne, die die Automobilindustrie schon vor der Corona-Pandemie eingefahren hat", seien Prämien auch nicht vermittelbar.

"Kaufprämien wären nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch unsinnig", kritisierte der stellvertretende FDP-Fraktionschef Frank Sitta. Wirtschaftliche führten sie "nur zu einem Mitnahmeeffekt, bei dem jeder Steuerzahler am Ende den Autokäufer subventioniert, der sich ohnehin einen neuen Wagen leisten kann". Dass Prämien auch ökologisch "nicht zielführend" seien, zeige die im Hinblick auf die Kundennachfrage weitgehend wirkungslose Umweltprämie für Elektroautos.

Der Branche sei "besser geholfen, wenn man für die die Rahmenbedingungen bei Steuern und Energiekosten verbessert", erklärte Sitta. Unter anderem müssten die EU-Flottengrenzwerte komplett abgeschafft werden. Auch der Wirtschaftsrat der CDU sieht in Kaufprämien "einzig ein Strohfeuer, das vor allem Mitnahmeeffekte auslöst, aber kein nachhaltiges Wachstum anstößt", wie Generalsekretär Wolfgang Steiger den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte.

Der stellvertretende bayerische Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) forderte dagegen eine Kaufprämie auch für Neu- und Gebrauchtfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren der Abgasnorm Euro 6 gefordert. "Jeder schadstoffarme Antrieb muss technologieoffen unterstützt werden, nicht nur wie derzeit Elektroautos", sagte er der "Augsburger Allgemeinen".

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will am Dienstag mit Regierungsvertretern sowie Vertretern der deutschen Autoindustrie und der IG Metall zum zweiten Mal über die Auswirkungen der Corona-Pandemie und mögliche Konjunkturhilfen sprechen. Dabei "wird es ganz wichtig sein, die klimapolitischen Fragen nicht aus den Augen zu verlieren", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin.

Dass die Branche in der Corona-Krise arge Verkaufsprobleme hat, verdeutlichte am Montag das Ifo-Institut mit den Ergebnissen seiner jüngsten Konjunkturumfrage. Demnach schätzen die deutschen Autobauer ihr aktuelles Geschäft so negativ ein wie nie, auch die Geschäftserwartungen für die nächsten drei Monate wurden "noch düsterer". Die entsprechenden Ifo-Branchenindizes stürzten im April auf minus 85,4 und minus 45,7 Punkte ab.

"Wir haben noch nie so schlechte Zahlen für diese Schlüsselbranche ermittelt", teilte das Münchner Forschungsinstitut mit. Die Geschäftslage der Branche habe sich "dramatisch verschlechtert", die Lager würden in der Corona-Krise voller.

Die Ökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sieht die deutschen Hersteller allerdings weniger stark durch die Corona-Einschränkungen beeinträchtigt als andere Branchen. "Durch Kurzarbeitergeld und direkte Wirtschaftshilfen ist ihnen und ihren Mitarbeitern schon erheblich geholfen", sagte sie der "Augsburger Allgemeinen", und eine Prämie werde ihr Absatzproblem nicht lösen.

(L.Møller--DTZ)

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