Deutsche Tageszeitung - Steinmeier bedauert geringes Wissen der Bürger über das Grundgesetz

Steinmeier bedauert geringes Wissen der Bürger über das Grundgesetz


Steinmeier bedauert geringes Wissen der Bürger über das Grundgesetz
Steinmeier bedauert geringes Wissen der Bürger über das Grundgesetz / Foto: ©

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wünscht sich, dass sich die Bürger mehr mit dem Grundgesetz beschäftigen. "Die Deutschen wissen zu wenig über ihr Grundgesetz", sagte der Bundespräsident am Mittwoch in einer Rede zum 70. Geburtstag der Verfassung. Diesen Befund könne er der Bundesrepublik "im Jubiläumsjahr leider nicht ersparen". Später würdigte Steinmeier die Bedeutung des Bundesverfassungsgerichts für die "Erfolgsgeschichte" des Grundgesetzes.

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Das Grundgesetz war am 23. Mai 1949 unterzeichnet und verkündet worden. Der 70. Geburtstag wird in dieser Woche in ganz Deutschland mit zahlreichen Festveranstaltungen gefeiert.

In Berlin betonte Steinmeier am Mittwoch, dass sich das Grundgesetz auch dann bewähren müsse, wenn die Zeiten schwerer würden. Zwar liege es ihm fern, eine Bewährungsprobe herbeizureden. "Aber wir alle wissen: Eine Verfassung muss sich gerade dann behaupten, wenn es hart auf hart kommt", sagte Steinmeier. "Hätten wir in einer solchen Phase genügend Verfassungspatrioten? Ich meine ja, aber wir müssen uns immer wieder neu dafür stark machen."

Steinmeier verwies darauf, dass das Grundgesetz in Umfragen vom Bürger positiv bewertet werde. "Die allermeisten befürworten das Grundgesetz, auch wenn sie es nicht genau kennen", sagte er. "Das Wissen zum Grundgesetz sollte in unserem Land so groß werden wie die Zustimmungswerte."

Hier sehe er eine wichtige Rolle für zeitgemäße politische Bildungsarbeit. "Politische Bildung neuer Art muss Zugeständnisse an den Zeitgeist, an veränderte Rahmenbedingungen und veränderte Lerngewohnheiten machen", forderte der Präsident.

Das Grundgesetz mache "uns zu freien und gleichberechtigten Menschen", resümierte Steinmeier. "Aber wie wir auf dieser Basis als Gesellschaft zusammenleben wollen, das kann nur durch Dialog, durch Erklären und Zuhören, durch Bereitschaft zum Kompromiss ausgelotet werden."

Nach der Rede bei einer Matinee in seinem Berliner Amtssitz Schloss Bellevue reiste Steinmeier nach Karlsruhe zur Jubiläumsfeier des Bundesverfassungsgerichts. Das Gericht habe in den vergangenen Jahrzehnten dem "Freiheitsgeist" der Verfassung Gehör verschafft, die Reichweite der Grundrechte ausgedehnt und den Bürgern geholfen, sie durchzusetzen, sagte er bei der Festveranstaltung.

"Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts lesen sich wie eine Geschichte des liberalen Aufbruchs in der Bundesrepublik", befand der Bundespräsident. Sie hätten den Grundrechten zum "Durchbruch in unserer Gesellschaft" verholfen.

Steinmeier verwies auch auf die Rolle des Bundesverfassungsgerichts für die Auslegung des Grundgesetzes vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Veränderungen, die vor 70 Jahren noch nicht absehbar waren. Das Gericht habe immer wieder auf neue Entwicklungen reagiert, etwa auf die Bedürfnisse des modernen Datenschutzes oder eine veränderte europäische und internationale Ordnung.

Der Bundespräsident mahnte zugleich die Politik zur Zurückhaltung mit Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht. Der "Gang nach Karlsruhe" sei auch ein Mittel der Politik, mit der diese aber "verantwortungsbewusst" und "zurückhaltend" umgehen sollte.

(A.Nikiforov--DTZ)