Deutsche Tageszeitung - Festnahmen, Gewalt und Straßensperren in Istanbul wegen angeblicher Mohammed-Karikatur

Festnahmen, Gewalt und Straßensperren in Istanbul wegen angeblicher Mohammed-Karikatur


Festnahmen, Gewalt und Straßensperren in Istanbul wegen angeblicher Mohammed-Karikatur
Festnahmen, Gewalt und Straßensperren in Istanbul wegen angeblicher Mohammed-Karikatur / Foto: © AFP

Eine angebliche Mohammed-Karikatur in einem türkischen Satiremagazin hat zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstrierenden und zur Abriegelung des Zentrums von Istanbul geführt. Die Polizei sperrte am Dienstag den Taksim-Platz und die Einkaufsmeile Istiklal, nachdem sie am Vorabend mit Tränengas und Gummigeschossen gegen Demonstrierende vorgegangen war. Diese hatten sich aus Wut über die angebliche Mohammed-Karikatur des Magazins "Leman" versammelt, welche die Festnahme mehrerer Mitarbeiter der Zeitschrift zur Folge hatte.

Textgröße ändern:

Innenminister Ali Yerlikaya erklärte am Montag im Onlinedienst X, wegen "Verunglimpfung" religiöser Werte habe die Polizei den Zeichner der "abscheulichen" Darstellung sowie den Grafiker und zwei weitere Mitarbeiter von "Leman" festgenommen. Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach mit Blick auf die Satire von einer "widerwärtigen Provokation" und von einem "Hassverbrechen". Die Verantwortlichen bei "Leman" würden zur Rechenschaft gezogen.

Die renommierte Satirezeitung versicherte, die Zeichnung habe "nichts mit dem Propheten zu tun". Ein paar Dutzend aufgebrachte Menschen versuchten dennoch bereits am Montagabend, eine Istanbuler Bar zu stürmen, die häufig von "Leman"-Mitarbeitern besucht wird. Dabei kam es zu Handgemengen mit der Polizei. Die Handgreiflichkeiten arteten rasch in Zusammenstöße mit 250 bis 300 Beteiligten aus, wie der AFP-Korrespondent berichtete.

Eine Gruppe namens Plattform Islamische Solidarität rief für Dienstagmittag zu einer Protestkundgebung vor der Hussein-Agha-Moschee an der Prachtstraße Istiklal auf. "Den Propheten Mohammed und den Propheten Moses zu beleidigen, ist inakzeptabel! Erhebt Euch!", hieß es in dem Aufruf.

Der Gouverneur des Istanbuler Bezirks Beyoglu verhängte ein generelles Demonstrationsverbot. Die Polizei riegelte den Taksim-Platz und Instiklal ab. Dennoch versammelten sich am Dienstag etwas 300 Menschen in der Nähe des Taksim-Platzes und protestierten gegen "Leman". Einige riefen unter Anspielung auf die französische Satirezeitung "Charlie Hebdo" und deren Mohammed-Karikaturen, die einen islamistischen Anschlag zur Folge hatten: "Leman, Mistkerle, vergesst nicht Charlie Hebdo."

Die Staatsanwaltschaft hatte zu der Karikatur erklärt, sie habe eine Untersuchung hinsichtlich der Veröffentlichung "in der Ausgabe vom 26. Juni 2025 des Magazins 'Leman' eingeleitet, die offen religiöse Werte verunglimpft". Die Polizei habe zudem die Büroräume des Magazins in der Istiklal-Straße übernommen, erklärte Fahrettin Altin, der Presseberater des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, später bei X. Es seien Haftbefehle gegen mehrere weitere Führungskräfte des Magazins ausgestellt worden.

Eine Kopie des Schwarz-Weiß-Bildes, das in Onlinediensten kursiert, zeigt zwei Männer, die sich einander vorstellen und sich im Himmel über einer von Bombenangriffen erschütterten Stadt die Hand geben. "Salam aleikum, ich bin Mohammed", sagt der eine und schüttelt die Hand des anderen, der seinerseits antwortet: "Aleikum salam, ich bin Musa." Dies ist die arabische Version des Namens Moses, eines sowohl im Islam als auch im Judentum verehrten Propheten.

"Leman", das zu den führenden Satiremagazinen der Türkei gehört, verteidigte das Bild später in mehreren X-Beiträgen, es sei absichtlich falsch interpretiert worden, um eine Provokation herbeizuführen. Auch "Leman"-Chefredakteur Tuncay Akgün sagte AFP telefonisch, das Bild stelle "keine Karikatur des Propheten Mohammed" dar. Vielmehr handele es sich um einen fiktiven Muslim namens Mohammed, der bei einem israelischen Bombardement im Gazastreifen ums Leben gekommen sei.

Das Vorgehen der Justiz gegen das Magazin bezeichnete Akgün als "unglaublich schockierend, aber nicht sehr überraschend". Ihm zufolge handelte es sich um eine "sehr systematische Provokation", bei der absichtlich Parallelen zu der französischen Satirezeitung "Charlie Hebdo" gezogen würden.

Die Organisation Reporter ohne Grenzen verurteilte die gewalttätigen Proteste. Es gebe "keine Rechtfertigung" dafür und es sei unverständlich, warum die Polizei nicht früher eingeschritten sei, sagte ihr Repräsentant in der Türkei, Erol Önderoglu, der AFP.

"Leman" wurde 1991 gegründet und ist seit langem Zielscheibe von Konservativen - insbesondere nach seiner erklärten Unterstützung für "Charlie Hebdo".

In das Redaktionsgebäude des französischen Satiremagazin waren 2015 zwei islamistische Attentäter eingedrungen. Sie töteten dort und auf der Flucht zwölf Menschen, darunter einige der bekanntesten Karikaturisten Frankreichs.Das Blatt war von Islamisten bedroht worden, seit es 2006 als eine von wenigen Zeitungen weltweit umstrittene Mohammed-Karikaturen der dänischen Zeitung "Jyllands-Posten" nachgedruckt hatte.

(V.Varonivska--DTZ)

Empfohlen

Unionsfraktion will Einbindung von Bundestag bei EU-Nutzung von Russland-Vermögen

Die Unionsfraktion fordert eine Einbindung des Bundestags, falls Deutschland im Zusammenhang mit den Plänen zur Nutzung eingefrorener russischer Vermögen für die Unterstützung der Ukraine finanzielle Verpflichtungen eingeht. Es handle sich hier um ein "Thema mit gravierenden Auswirkungen", sagte Unionsparlamentsgeschäftsführer Steffen Bilger (CDU) am Dienstag in Berlin. "Der Bundestag muss sich auf jeden Fall damit beschäftigen."

Albanese: Schützen von Sydney offenbar von "Ideologie des Islamischen Staates" motiviert

Zwei Tage nach dem tödlichen Anschlag auf eine jüdische Feier am Bondi Beach in Sydney hat sich der Verdacht auf ein islamistisches Motiv erhärtet. Die mutmaßlichen Täter seien offenbar Anhänger der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) gewesen, sagte Australiens Premierminister Anthony Albanese am Dienstag im Sender ABC. Die Verdächtigen waren im November in die Philippinen gereist, um die von islamistischen Unruhen geprägte Region Mindanao zu besuchen, wie philippinischen Behörden bestätigten.

Rechtsextreme Musik auf Weihnachtsmarkt: Staatsschutz ermittelt in Niedersachsen

Auf einem Weihnachtsmarkt im niedersächsischen Otterndorf soll an mehreren Tagen hintereinander rechtsextreme Musik mit volksverhetzenden und antisemitischen Texten abgespielt worden sein. Die Polizei in Cuxhaven ermittelte nach eigenen Angaben vom Dienstag unter anderem aufgrund entsprechender Videobeiträge in sozialen Netzwerken. Abgespielt wurden demnach auch Lieder der gerichtlich als kriminelle Vereinigung eingestuften deutschen Neonaziband Landser. Die Täter waren unbekannt.

Neffe von Thailands Ex-Regierungchef Thaksin als Spitzenkandidat für Wahl im Februar nominiert

Inmitten des wiederaufgeflammten Grenzkonflikts mit Kambodscha hat die Partei des früheren thailändischen Regierungschefs Thaksin Shinawatra dessen Neffen zu ihrem Spitzenkandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten bei der bevorstehenden Parlamentswahl aufgestellt. Die Pheu-Thai-Partei nominierte am Dienstag Yodchanan Wongsawat zu ihrem Spitzenkandidaten bei der für den 8. Februar angesetzten Parlamentswahl. Der 46-Jährige Biomedizintechniker ist der Sohn von Ex-Regierungschef Somchai Wongsawat und Thaksins Schwester Yaowapa Wongsawat.

Textgröße ändern: