
EU-Gipfel wendet Chaos-Brexit am 29. März mit Verschiebungsbeschluss ab

Mit einem neuen Zeitplan für den Austritt Großbritanniens aus der EU haben die Staats- und Regierungschefs einen Chaos-Brexit am 29. März abgewendet. Nach langen Beratungen legte der EU-Gipfel den Briten in der Nacht zum Freitag zwei Optionen für eine Verschiebung des Brexit vor. Der Gipfel habe damit "einen ungeregelten Austritt am 29. März erst einmal verhindert", sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitag.
Gebannt ist die Gefahr eines harten Brexit mit dem Gipfelbeschluss aber keineswegs. Ratspräsident Donald Tusk sagte, er halte beim Brexit noch "alles für möglich". Der weitere Verlauf wird nun von den Entscheidungen von Parlament und Regierung in London abhängen. Eine wichtige Weichenstellung soll kommende Woche erfolgen: Dann soll das Unterhaus nach zwei Nein-Voten zum dritten Mal über den Austrittsvertrag mit der EU abstimmen.
Sollte sich diesmal eine Mehrheit für das Abkommen finden, wollen die übrigen 27 EU-Staaten den Briten einen Aufschub bis zum 22. Mai - dem Tag vor dem Start der Europawahl - gewähren, um einen geordneten Austritt vorzubereiten.
Sollte das Unterhaus den Vertrag abermals ablehnen, kommt der 12. April als neuer Brexit-Stichtag ins Spiel. Spätestens dann muss Großbritannien entscheiden, ob es noch einmal an der Europawahl Ende Mai teilnimmt und einen längeren Aufschub des Austrittsdatums beantragt - oder ob es auf die Teilnahme verzichtet und dann ohne Abkommen austritt.
Der Beschluss des Gipfels ermöglicht unterschiedliche Szenarien: Ratspräsident Tusk nannte in diesem Zusammenhang eine Annahme des Austrittsabkommens, eine lange Verschiebung des Brexit oder gar eine Rücknahme der Austrittserklärung.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wies darauf hin, dass es automatisch einen harten Brexit geben werde, wenn am 12. April keine andere Lösung vorliege: "Ein Austritt ohne Vertrag ist in niemandes Interesse, aber wir sind vorbereitet."
Merkel äußerte die Erwartung, dass bei einer neuerlichen Ablehnung des Austrittsabkommens im Unterhaus vor dem 12. April ein Sondergipfel zum Brexit einberufen wird. Es sei nur "eine sehr kurze Frist" bis zum nächsten Stichtag. Dann müsse geprüft werden, welche Abstimmungsergebnisse es im britischen Parlament zu Brexit-Fragen gebe, sagte die Kanzlerin weiter. "Denn es gibt ja eine Vielzahl von Möglichkeiten, über die das britische Parlament noch abstimmen könnte."
Premierministerin Theresa May hatte noch in der Nacht zum Freitag angekündigt, nach ihrer Rückkehr nach London "hart um Unterstützung zu werben, um das Abkommen im Parlament durchzubringen". Eine Teilnahme ihres Landes an der Europawahl - und damit einen längeren Verbleib in der EU - wolle sie vermeiden.
May hatte ihre EU-Kollegen ursprünglich um einen Aufschub bis Ende Juni gebeten. Wegen der anstehenden Europawahl und rechtlicher Risiken wollte der EU-Gipfel die Entscheidung über den Brexit aber nicht so lange hinauszögern.
Dem Termin der Europawahlen vom 23. bis 26. Mai kam bei den Brexit-Beratungen der EU-Chefs eine zentrale Rolle zu. Sollte Großbritannien darüber hinaus in der EU bleiben, ohne eigene Abgeordnete zu wählen, könnte dies die Legitimität des neuen Parlaments und seiner Entscheidungen in Frage stellen. "Wir wollen Rechtssicherheit", sagte Merkel. Die Wahl dürfe "nicht anfechtbar sein". Deswegen müsse London bis zum 12. April seine Haltung klären.
Der EU-Gipfel kam May für die anstehende Abstimmung im Unterhaus entgegen: Er billigte offiziell die Brexit-Zusagen, die EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ihr am 11. März in Straßburg gegeben hat. Dieses Papier soll das Brexit-Abkommen ergänzen - und damit ein neues Votum in London überhaupt ermöglichen. Denn laut Geschäftsordnung des Parlaments darf die gleiche Vorlage nicht zwei Mal zur Abstimmung gestellt werden.
(M.Dylatov--DTZ)