
Enger Vertrauter von Präsident Xi wird neuer Regierungschef in China

Chinas Präsident Xi Jinping hat seinen Einfluss auf die Führung des Landes weiter gefestigt: Mit Li Qiang wurde einer seiner engsten Vertrauten zum neuen Regierungschef gewählt. Li erhielt am Samstag beim Nationalen Volkskongress in Peking nahezu alle Stimmen der mehr als 2900 Delegierten. Es gab lediglich drei Gegenstimmen sowie acht Enthaltungen. Der stellvertretende Vorsitzende der deutsch-chinesischen Parlamentariergruppe äußerte sich besorgt angesichts der neuen Regierung in Peking.
Nach der Ernennung legte Li seinen Amtseid ab. Er schwor, der chinesischen Verfassung treu zu sein und "hart zu arbeiten, um ein blühendes, starkes, demokratisches, zivilisiertes, harmonisches und großes modernes sozialistisches Land aufzubauen".
Li tritt die Nachfolge des als moderat geltenden bisherigen Ministerpräsidenten Li Keqiang an, der seit 2013 im Amt war. Er steht allerdings im Schatten des übermächtigen Präsidenten Xi. Dieser war am Freitag vom Volkskongress für eine historische dritte Amtszeit wiedergewählt worden. Den Weg dafür hatte er selbst geebnet, als er 2018 die bis dahin geltende Begrenzung der Amtszeit des Präsidenten auf zwei Mandate abschaffte.
Der neue Regierungschef Li, der im Oktober zur Nummer zwei der Kommunistischen Partei aufgestiegen war, hatte im Gegensatz zu den meisten seiner Vorgänger vorher kein ranghohes Regierungsamt bekleidet. Der 63-Jährige hat jedoch Erfahrung auf lokaler und regionaler Ebene.
Li begann seine Karriere als Arbeiter in einer Pumpstation in der Nähe seiner Heimatstadt in Zhejiang. Anschließend arbeitete er sich kontinuierlich nach oben. Von 2004 bis 2007 arbeitete er als Stabschef für Xi, als dieser noch Parteichef in Zhejiang war. 2013 wurde Li in Zhejiang Gouverneur und erarbeitete sich auf diesem Posten einen wirtschaftsfreundlichen Ruf.
2017 wurde Li zum Parteisekretär von Shanghai ernannt - ein Zeichen für das große Vertrauen Xis in ihn. Anfang 2022 setzte Li den teilweise chaotischen, harten Lockdown in der Megametropole durch.
Als Ministerpräsident und Leiter des Staatsrates wird Li nun für das Tagesgeschäft, die konkrete Umsetzung von Xis Politik und vor allem für die Wirtschaftspolitik zuständig sein, die der chinesische Staatschef traditionell seinem Regierungschef überlässt.
Die Herausforderungen sind immens: Im vergangenen Jahr verzeichnete China ein Wirtschaftswachstum von lediglich drei Prozent - so langsam war Chinas Wirtschaft, abgesehen vom ersten Pandemie-Jahr 2020, zuletzt vor vier Jahrzehnten gewachsen. Für das laufende Jahr hat sich Peking ein Wachstumsziel von rund fünf Prozent gesetzt und damit eines der niedrigsten seit Jahrzehnten.
Obwohl es seit der Aufhebung der strikten Corona-Maßnahmen wieder aufwärts geht, bleibt für Li viel zu tun: Der 63-Jährige muss das Wirtschaftswachstum stabilisieren, eine drohende Finanzkrise abwenden, den strauchelnden Immobilienmarkt stützen und Investoren im In- und Ausland beruhigen.
Seine Loyalität gegenüber Xi wird von einigen Beobachtern als Hindernis angesehen, bei der Lösung dieser Probleme eine eigene Agenda zu verfolgen. Lis Vorgänger, ein gelernter Wirtschaftswissenschaftler, war bei angestrebten Finanzreformen von Xi ausgebremst worden.
Der in Hong Kong ansässige chinesische Politikexperte Willy Lam sagte der Nachrichtenagentur AFP, es sei unwahrscheinlich, dass Li die Autorität hat, den Weg seines Vorgängers weiterzuentwickeln. Dazu komme, dass Xi eine strengere Kontrolle der Wirtschaft durch den Staat und die Partei für nötig halte - im Gegensatz zur jahrzehntelangen Öffnungspolitik der Volksrepublik.
Der stellvertretende Vorsitzende der deutsch-chinesischen Parlamentariergruppe, Boris Mijatovic (Grüne), äußerte sich besorgt angesichts der neuen Regierung in Peking. Der engere Führungskreis um Präsident Xi habe die Macht übernommen, sagte er im Deutschlandfunk. Die chinesische Regierung sei nun noch nationalistischer ausgerichtet. Künftig müsse mit einem aggressiveren internationalen Auftreten Chinas gerechnet werden.
(T.W.Lukyanenko--DTZ)