
Große Koalition erzielt Durchbruch bei der Grundrente

Wer jahrzehntelang in die Rente eingezahlt hat und dennoch Altersbezüge unterhalb der Grundsicherung hat, kann ab 2021 einen Zuschlag auf die Rente bekommen: Die Spitzen der großen Koalition legten nach monatelangem Tauziehen am Sonntag ihren Streit über die Grundrente bei. Die Spitzen von Union und SPD zeigten sich erleichtert über die Einigung, Kritik kam von der Opposition.
Das vom Koalitionsausschuss ausgehandelte Konzept sieht eine "umfassende Einkommensprüfung" vor, es gilt ein Freibetrag in Höhe von 1250 Euro für Alleinstehende und von 1950 Euro für Paare. Die Grundrente soll für Bestands- und Neurentner am 1. Januar 2021 starten. Voraussetzung sind 35 Beitragsjahre in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Die neue Grundrente wird nach den Worten der kommissarischen SPD-Vorsitzenden Malu Dreyer zwischen 1,2 bis 1,5 Millionen Menschen erreichen. "Vier von fünf Beziehern werden Frauen sein." Das ursprüngliche Konzept von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte noch drei Millionen Bezieher vorgesehen. Die von der Union lange geforderte umfassende Bedürftigkeitsprüfung hätte den Kreis der Bezieher aber weitaus stärker reduziert.
CSU-Chef Markus Söder bezifferte die Kosten für die Grundrente auf eine bis 1,5 Milliarden Euro. Der Kompromiss habe die Halbzeitbilanz der großen Koalition "perfekt abgerundet". "Der Knoten ist durchschlagen", sagte die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer am Sonntag. Dreyer sprach von einen "sozialpolitischen Meilenstein".
Söder nannte den Kompromiss ein "echtes Gerechtigkeits- und Leistungspaket". Er verwies drauf, dass die Koalition sich auch auf eine Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung verständigt habe. Laut Beschluss soll der Beitrag befristet bis Ende 2022 auf 2,4 Prozent gesenkt werden.
Bei der SPD-Linken stieß die Einigung auf ein unterschiedliches Echo: Der Kandidat für den SPD-Vorsitz, Norbert Walter-Borjans, sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Mit dem Kompromiss zur Grundrente kann man fürs Erste leben." Die Vermögensprüfung als Bedingung für einen Rentenanspruch nach 35 Jahren Arbeit "ist raus".
Die Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis kritisierte hingegen in der "Welt", die geplante Einkommensprüfung sei "weit von dem SPD-Anspruch einer Grundrente ohne Bedarfsprüfung entfernt".
Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch nannte das Vorgehen der großen Koalition "zynisch". "Bei E-Autos gibt es üppige Kaufprämien mit der Gießkanne und bei der Grundrente schaut die Koalition ins Portemonnaie der Rentner, die jahrzehntelang eingezahlt haben", sagte er den Funke-Zeitungen.
Die Grünen forderten Nachbesserungen. Die Zugangshürden sollten abgesenkt werden - 30 statt 35 Jahre an Beitrags- und Versicherungszeiten, sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt den Funke-Zeitungen.
Als zu weitgehend kritisierte hingegen die FDP den Kompromiss. "Die Union ist auf Steuerzahlerkosten umgefallen", erklärte Fraktionsvize Michael Theurer. Die Koalition werde "auch wohlhabenden Menschen eine Grundrente mit der Gießkanne ausbezahlen". Überwiegend positiv reagierten hingegen die Gewerkschaften. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sprach von einem "Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt".
Die Koalition einigte sich zudem neben der Senkung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung auf Entlastungen bei der Doppelverbeitragung von Betriebsrenten sowie einen Beteiligungsfonds für Zukunftstechnologien, der auf bis zu zehn Milliarden Euro aufwachsen soll.
(A.Nikiforov--DTZ)